ESG und Energieeffizienz im Bestand – Pflicht oder Chance?
- Marc André Sieber

- 11. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Der Immobilienmarkt steht vor einem Paradigmenwechsel. Energieeffizienz, CO₂-Bilanz und ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) sind längst keine Schlagworte mehr, sondern entscheidende Faktoren für die Zukunftsfähigkeit von Immobilien. Besonders im Segment der Einzelhandelsimmobilien, in dem viele Objekte aus den 1980er und 1990er Jahren stammen, wird deutlich: Nur wer jetzt in nachhaltige Bestände investiert, kann langfristig Werte sichern und neue Mietergruppen ansprechen.
Regulatorische Vorgaben als Treiber
Die rechtlichen Rahmenbedingungen verschärfen sich kontinuierlich. Mit der EU-Taxonomie-Verordnung (EU 2020/852), der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) gelten zunehmend verbindliche Anforderungen an Energieeffizienz, Berichtspflichten und nachhaltige Unternehmensführung.
Für Bestandshalter bedeutet das konkret:
Gebäude mit hohem Energieverbrauch verlieren an Marktwert.
Nicht-Taxonomie-konforme Immobilien erschweren die Finanzierung, da Banken und Fonds Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen müssen.
Nachrüstpflichten nach § 47 GEG (z. B. Dämmung, Heizungsoptimierung) erhöhen kurzfristig den Investitionsdruck.
Gleichzeitig entstehen durch energetische Sanierungen neue Chancen: Förderprogramme der KfW, BAFA und regionaler Energieagenturen unterstützen Investitionen in Dämmung, Photovoltaik, Wärmepumpen oder Beleuchtungssysteme mit bis zu 40 % Zuschuss oder Tilgungsnachlass.
Energieeffizienz als Renditetreiber
Auch wenn Sanierungen zunächst Kapital binden, verbessern sie langfristig die Wirtschaftlichkeit und Vermietbarkeit von Bestandsimmobilien.
Reduzierte Betriebskosten erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber neueren Objekten.
Nachhaltigkeitszertifikate (z. B. DGNB, BREEAM oder LEED) steigern die Marktakzeptanz bei institutionellen Mietern.
Geringere CO₂-Emissionen erfüllen nicht nur ESG-Kriterien, sondern reduzieren auch zukünftige Risiken durch CO₂-Bepreisung.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Eine 1.500 m² große Einzelhandelsfläche mit 3,00 €/m² Nebenkosten kann durch energetische Modernisierung (LED-Beleuchtung, Wärmerückgewinnung, PV-Anlage) die Betriebskosten um bis zu 25 % senken. Dadurch entsteht ein direkter Mehrwert für den Mieter – und mittelbar auch eine höhere Stabilität des Mietverhältnisses.
Von der Pflicht zur Positionierung
Was auf den ersten Blick als regulatorische Last erscheint, entwickelt sich zum strategischen Differenzierungsmerkmal. Eigentümer, die ihre Bestände frühzeitig auf ESG-Konformität ausrichten, positionieren sich nicht nur im Sinne des Klimaschutzes, sondern auch als zukunftssichere Partner für den institutionellen Kapitalmarkt.
Insbesondere bei der Revitalisierung von Fachmarktzentren oder innerstädtischen Handelsflächen kann Nachhaltigkeit gezielt eingesetzt werden, um neue Nutzungen (z. B. Bildung, Gesundheit, urbane Produktion) zu integrieren. Diese Mischnutzungskonzepte erhöhen nicht nur die Energieeffizienz pro Nutzfläche, sondern auch die sozialen und governancebezogenen Aspekte des ESG-Ansatzes.
Fazit
Nachhaltigkeit ist längst keine Option mehr, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit.Wer in Bestandsimmobilien investiert, muss ESG und Energieeffizienz als integralen Bestandteil seiner Strategie verstehen.Die Pflicht zur Sanierung kann – richtig umgesetzt – zur Chance werden: für Werterhalt, Mietersicherheit und langfristige Marktfähigkeit.




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