Neubau im Einzelhandel: Warum die Expansion für Händler zur Geduldsprobe wird
- Marc André Sieber

- 10. Dez.
- 3 Min. Lesezeit
Der deutsche Einzelhandelsimmobilienmarkt befindet sich in einer bemerkenswerten Zwischenphase: Die Nachfrage nach hochwertigen Flächen ist robust, doch wer heute expandieren möchte, stößt bei Neubauprojekten auf erhebliche Hürden. Trotz eines Investitionsvolumens von rund 4,1 Milliarden Euro in den ersten drei Quartalen 2025 und einer guten allgemeinen Marktdynamik bleibt der Zugang zu neuen Immobilien schwierig. Dieser Blog-Beitrag analysiert die aktuelle Lage und erklärt, warum es für Handelsunternehmen derzeit so herausfordernd ist, an Neubauprojekte heranzukommen.
Die aktuelle Marktlage: Stabilität mit Einschränkungen
Der Einzelhandels-Investmentmarkt zeigt sich 2025 insgesamt resilient. Das Transaktionsvolumen lag nach neun Monaten etwa 10 % über dem Vorjahreszeitraum, wobei Fachmarktprodukte mit 68 % den Löwenanteil ausmachen. Besonders bemerkenswert ist die Kleinteiligkeit des Marktes: Rund 90 % aller Abschlüsse finden im Segment unter 50 Millionen Euro statt.
Doch hinter diesen stabilen Kennzahlen verbergen sich deutliche Verschiebungen. Während Bestandsimmobilien aktiv gehandelt werden, fehlen großvolumige Neubauprojekte als Umsatztreiber. Die Spitzenrenditen bleiben in allen Nutzungsarten konstant (z.B. Shoppingcenter bei 5,60 %, Baumärkte bei 5,70 %), was auf einen ausgeglichenen Markt zwischen Angebot und Nachfrage hindeutet – zumindest im Bestand.
Die zentralen Hürden beim Neubau
1. Geringe Transaktionsvolumina im Neubausegment
Trotz guter Fundamentaldaten konzentriert sich das Investmentgeschehen überwiegend auf bestehende Objekte. Großvolumige Neubautransaktionen bleiben die Ausnahme. Im ersten Halbjahr 2025 entfielen etwa 57 % des Volumens (ohne die Porta-Übernahme) auf Transaktionen bis 50 Millionen Euro. Diese Kleinteiligkeit spiegelt wider, dass vor allem kleinere Bestandsprojekte den Besitzer wechseln, während umfangreiche Neubauvorhaben kaum realisiert werden.
2. Finanzierungshürden und veränderte Risikobewertung
Eine der größten Herausforderungen liegt im Finanzierungsbereich. Banken und andere Kreditgeber haben ihre Risikobewertung deutlich verschärft. Laut Analysen ist die Risikoaversion vieler Banken gestiegen, die spekulative Finanzierungen zunehmend zurückhaltend bewerten. Dies betrifft insbesondere Neubauprojekte, die ohne vorab gesicherte Vermietung realisiert werden sollen.
Die folgende Tabelle verdeutlicht die Veränderungen im Finanzierungsumfeld:
Aspekt | Frühere Situation | Aktuelle Entwicklung (2025) |
Spekulative Finanzierungen | Höhere Bereitschaft (bis 32% Anteil 2019-2023) | Deutlicher Rückgang (nur noch 13% in 2024) |
Kreditmargen Einzelhandel | - | Um ca. 40 Basispunkte gesunken |
Beleihungsauslauf (LTV) | - | Bei 50-60% für Prime-Immobilien |
Bevorzugte Assetklassen | - | Wohnen und Logistik vor Einzelhandel |
3. Wirtschaftliche Unsicherheiten und Kostendruck
Die gesamtwirtschaftliche Lage trägt zur Zurückhaltung bei. Zwar zeigen sich erste Erholungstendenzen (BIP-Wachstum von +0,4% im Q1 2025), doch bleiben globale Unsicherheiten wie internationale Zollkonflikte ein Hemmschuh. Für viele mittelständische Unternehmen sind die von der Bundesregierung angekündigten finanzpolitischen Maßnahmen noch nicht spürbar in den Auftragsbüchern angekommen.
Gleichzeitig belasten hohe Bau- und Capex-Kosten die Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Neubauprojekten. Diese Kostensituation, kombiniert mit einer verhaltenen Konsumstimmung (das HDE-Konsumbarometer zeigt eine niedrigere Anschaffungsneigung), macht Investitionen in Neubauprojekte für viele Investoren unattraktiv.
4. Konzentration auf Core-Standorte und Bestandsimmobilien
Investoren fokussieren sich verstärkt auf krisensichere Produkte in etablierten Lagen. A-Standorte partizipieren bisher nur in vergleichsweise geringem Maße am Umsatz (gut 20 %). Statt in risikoreiche Neubauprojekte fließt Kapital bevorzugt in Bestandsimmobilien mit stabiler Mietertragsentwicklung. Diese Strategie wird durch die Finanzierungsseite unterstützt, die selektiv Wettbewerb bei der Finanzierung von krisensicherem Produkt zeigt.
Strategien für expandierende Händler
Angesichts dieser Herausforderungen müssen Handelsunternehmen alternative Expansionspfade in Betracht ziehen:
Flexiblere Standortkonzepte: Statt auf klassische Neubauprojekte zu warten, können modulare oder kleinformatige Konzepte in bestehenden Immobilien realisiert werden.
Kooperationen und Partnerschaften: Gemeinsame Projekte mit anderen Händlern oder Investoren können die Risiken und Finanzierungslasten reduzieren.
Intensivierte Bestandssuche: Der aktive Erwerb von Bestandsimmobilien mit Entwicklungspotenzial (Value-Add-Strategie) kann eine Alternative zu reinen Neubauprojekten darstellen.
Frühzeitige Bankengespräche: Bei Neubauplänen sind frühzeitige und transparente Gespräche mit Finanzierungspartnern essentiell, um Realisierungschancen realistisch einzuschätzen.
Ausblick: Wann kehrt der Neubau zurück?
Marktbeobachter wie Sarah Hoffmann von JLL gehen von einem starken letzten Quartal 2025 aus und verweisen auf eine gut gefüllte Pipeline. Langfristig wird der Bedarf an modernen Einzelhandelsflächen bestehen bleiben, insbesondere nach Flächen mit Neubaustandard.
Die Rückkehr zu einem dynamischen Neubaumarkt hängt jedoch von mehreren Faktoren ab: einer weiter entspannten Finanzierungssituation, stabileren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einer Rückkehr der Investorenbereitschaft für entwicklungsintensivere Projekte. Bis dahin bleibt der Weg zur Expansion für viele Händler eine anspruchsvolle Aufgabe, die Kreativität und Geduld erfordert.
Für die Apex Real GmbH bedeutet dies, Kunden umfassend über alternative Expansionsmöglichkeiten zu beraten und gemeinsam realistische Strategien in einem herausfordernden Marktumfeld zu entwickeln.
Quellen: Apex Real Research, BNP Paribas Real Estate, JLL, CBRE, Colliers, bulwiengesa (Stand: Q3 2025)




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